Die Hungersnot in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg
von John Wear (deutsche Übersetzung + Zusammenstellung des Artikels von Wolf)
Veröffentlicht am 25. Mai 2019 in Inconvenient History, Band 11, Nr. 2 (2019)
Die Politik der Alliierten erzwingt den Hungertod
Kapitän Albert R. Behnke, ein Arzt der U.S. Navy, stellte in Bezug auf Deutschland fest: "Von 1945 bis Mitte 1948 sah man den drohenden Zusammenbruch, den Zerfall und die Zerstörung einer ganzen Nation ... Deutschland wurde einem physischen und psychischen Trauma ausgesetzt, das in der Geschichte beispiellos war." Behnke kam zu dem Schluss, dass es den Deutschen unter den Alliierten viel schlechter ging als den Niederländern unter den Deutschen, und zwar viel länger.[1]
Normale erwachsene Deutsche in der amerikanischen und britischen Zone erhielten nur eine Ration von 1.550 Kalorien pro Tag. Die durchschnittliche offizielle Kalorienration für Deutsche in der französischen Zone lag bei nur 1.400 pro Tag. Die tatsächliche Kalorienzufuhr in der amerikanischen, britischen und französischen Zone lag oft weit unter diesen offiziellen Mengen, und es war bekannt, dass diese offiziellen Rationen nicht ausreichten, um eine gesunde Bevölkerung zu erhalten. Herbert Hoover sagte zu Präsident Truman, dass "die 1.550er Ration nicht ausreicht, um die Gesundheit zu erhalten."[2] Hoover schätzte, dass 2.200 Kalorien pro Tag "in einer Nation das Minimum für gesunde Menschen sind."[3]
Durch die Zerstörung der deutschen Infrastruktur während des Krieges war es unvermeidlich, dass einige Deutsche verhungern würden, bevor Straßen, Schienen, Kanäle und Brücken instand werden konnten. Doch selbst als ein Großteil der deutschen Infrastruktur wiederhergestellt war, hielten die Alliierten Deutschland absichtlich Lebensmittel vor. In Fortführung der Politik ihrer Vorgänger ließen sich US-Präsident Harry Truman und der britische Premierminister Clement Attlee vom Geist Henry Morgenthaus und der Jalta-Konferenz ihre Politik gegenüber Deutschland diktieren. Das Ergebnis war, dass Millionen von Deutschen zum langsamen Hungertod verurteilt waren.[4]
Die Alliierten hatten die deutsche Nahrungsmittelproduktion während des Krieges studiert und wussten daher, was sie zu erwarten hatten, sobald Deutschland besiegt war. Die Alliierten wussten, dass Deutschland durch die Abtrennung des reichen Ackerlandes im Osten und die Übergabe an Polen und Russen mehr als 25 % seines Ackerlandes verloren hatte. Die Deutschen hungerten auch im Osten, weil die Russen so viele Lebensmittel und fast alle Fabriken beschlagnahmten. Die Franzosen erzwangen die Hungersnot in ihrer Zone durch die Beschlagnahmung von Lebensmitteln und Wohnraum. Die Hungersnot in der französischen Zone dauerte jahrelang an.[5]
Die Gefahr des Hungers und des Verhungerns ließ in ganz Deutschland nur langsam nach. Die Hungersnot, die 1945 in Deutschland begann, breitete sich über das gesamte besetzte Deutschland aus und hielt bis 1948 an. Diese Hungersnot wurde von den alliierten Armeen und Regierungen so gut wie möglich getarnt.[6]
Viele Deutsche waren zunächst bereit, die Alliierten als befreiende Engel zu sehen, aber sie erkannten bald, dass die Alliierten eine Politik verfolgten, die Deutschlands Erholung schadete. Die drastische Reduzierung der Düngemittelproduktion im Rahmen des Morgenthau-Plans zum Beispiel beeinträchtigte Deutschlands Fähigkeit, seine eigenen Nahrungsmittel anzubauen. Der Einsatz deutscher Gefangener als Sklavenarbeiter in den alliierten Ländern verringerte die Zahl der Arbeitskräfte, die zur Einbringung der reduzierten Ernte benötigt wurden. Deutsche Gefangene, die als Sklavenarbeiter im Vereinigten Königreich und in Frankreich arbeiteten, waren entsetzt, als sie nach Hause kamen und feststellten, dass ihre Familien hungerten.[7]
Da die Deutschen nicht in der Lage waren, sich mit der heimischen Produktion ausreichend zu ernähren, versuchten sie verzweifelt, die Produktion für den Export zu steigern. Allerdings wurden die Deutschen durch die Reparationspolitik der Alliierten ernsthaft daran gehindert, Waren zu exportieren, um die geschrumpften deutschen Lebensmittelvorräte aufzustocken. Die Alliierten hatten beschlossen, enorme Reparationszahlungen in Höhe von mindestens 20 Milliarden Dollar (279 Milliarden Dollar im Jahr 2018) zu verlangen. Noch im Jahr 1949 wurden 268 Fabriken ganz oder teilweise aus Deutschland abtransportiert. Die Reduzierung der Exporte für Lebensmittel sorgte dafür, dass das deutsche Volk weiter hungern musste.[8]
Die Alliierten hinderten nicht nur das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) daran, Lebensmittel an deutsche Kriegsgefangene zu verteilen, sondern verweigerten auch Anfragen des IKRK, Lebensmittel für die Zivilbevölkerung nach Deutschland zu bringen. Im Winter 1945 wurden die IKRK-Spenden an Deutschland mit der Empfehlung zurückgegeben, die Spenden in anderen Teilen des kriegszerstörten Europas zu verwenden. Die Rückgabe der IKRK-Spenden erfolgte auch für irische und schweizerische Spenden, die speziell für Deutschland gesammelt worden waren. Erst im März 1946 durften die IKRK-Spenden die amerikanische Zone in Deutschland erreichen.[9]
Die Alliierten hinderten auch verschiedene private Hilfsorganisationen daran, Lebensmittel an die deutsche Zivilbevölkerung zu liefern. Der Schweizer Hilfsfonds zum Beispiel startete eine Hilfsaktion, bei der tausend bayerische Kinder zwei Monate lang einmal am Tag eine Mahlzeit erhielten. Die Besatzungsbehörden der amerikanischen Zone entschieden, dass diese Hilfe nicht angenommen werden sollte. Ein Quäker, der versuchte, den Deutschen zu helfen, sagte: "Die US-Armee machte es schwierig, Hilfe zu leisten." Im Vereinigten Königreich war im Oktober 1945 "selbst das Konzept der freiwilligen Hilfe in Form von Lebensmittelpaketen durch die britische Zivilbevölkerung für Whitehall [Teil der britischen Regierung] ein Gräuel." Eine solche Hilfe für Deutschland war streng verboten.[10]
Der US-amerikanische Gefreite Martin Brech beschreibt die Hungersnot in Deutschland im Jahr 1945:
Die Hungersnot begann sich auch unter der deutschen Zivilbevölkerung auszubreiten. Es war ein alltäglicher Anblick, deutsche Frauen zu sehen, die bis zu den Ellbogen in unseren Mülltonnen nach etwas Essbarem suchten - wenn sie nicht weggejagt wurden.
Als ich die Bürgermeister von Kleinstädten und Dörfern befragte, erfuhr ich, dass ihre Lebensmittelvorräte von "Displaced Persons" (Ausländern, die in Deutschland gearbeitet hatten) mitgenommen worden waren, die die Lebensmittel auf Lastwagen packten und wegfuhren. Als ich das meldete, reagierte man mit einem Achselzucken. Ich habe nie ein Rotes Kreuz im Lager oder bei der Hilfe für Zivilisten gesehen, obwohl ihre Kaffee- und Krapfenstände überall sonst für uns da waren. In der Zwischenzeit waren die Deutschen darauf angewiesen, ihre versteckten Vorräte bis zur nächsten Ernte zu teilen.[11]
Amerikanische Soldaten bestahlen auch die deutsche Bevölkerung und ließen deutsche Kinder hungern. Der amerikanische Luftfahrtheld Charles Lindbergh schrieb:
Deutsche Kinder schauen durch das Fenster herein. Wir haben mehr Essen, als wir brauchen, aber die Vorschriften verhindern, dass wir es ihnen geben. Es ist schwer, sie anzusehen. Ich schäme mich für mich und mein Volk, wenn ich esse und diese Kinder sehe. Sie sind nicht schuld am Krieg. Sie sind hungrige Kinder. Welches Recht haben wir, uns vollzustopfen, während sie zuschauen - wohlgenährte Männer, die essen und überschüssiges Essen auf den Tellern zurücklassen, während hungrige Kinder zuschauen? ... In der amerikanischen Armee gibt es Essen im Überfluss, und nur wenige Männer scheinen sich darum zu kümmern, wie hungrig die deutschen Kinder vor der Tür sind.[12]
Die Alliierten führten weitere Maßnahmen ein, die den Hunger in Deutschland verursachten. Die Nahrungsmittelproduktion und -einfuhr wurde gezielt angegriffen, als die deutsche Fischereiflotte ein Jahr lang daran gehindert wurde, in See zu stechen. Die Alliierten nutzten auch eine falsche Buchführung, um den Wert einiger deutscher Exporte nicht auf dem deutschen Konto gutzuschreiben, so dass es für die Deutschen unmöglich war, Devisen zu verdienen, um Lebensmittel zu kaufen. Einfach gesagt, wurden den Deutschen viele wertvolle Güter gestohlen, die über die von den Alliierten vereinbarten Reparationen hinausgingen.[13]
Trotz der Bedingungen, kämpfen die Deutschen tapfer um ihre Existenz. Nach einer fünfwöchigen Reise durch Europa, einschließlich Deutschland, erzählte Malcolm Muir, Verleger der Business Week dem Union Leage Club von Chicago: "Die Deutschen versuchen auf jede Weise, sich selbst zu helfen... Es ist nichts Besonderes, eine Milchkuh vor einen Pflug gespannt, eine Frau die Kuh führen und einen kleinen Jungen den Pflug lenken zu sehen." Doch trotz aller Bemühungen der deutschen Bauern und Bäuerinnen wurde die Ernährungslage erst kritisch und dann katastrophal.[14]
Ein Beamter der Ernährungsabteilung der amerikanischen Militärregierung gab folgenden Bericht über die Zustände in Deutschland ab:
Die größte Hungerkatastrophe der letzten Jahrhunderte steht uns in Zentraleuropa bevor. Unsere Regierung läßt unsere Militärregierung mit den versprochenen Lebensmittellieferungen im Stich, dabei war das, um was die Generäle Clay, Draper und Hester ersuchten, nur das absolute Minimum für das Überleben der Menschen. Wir werden gezwungen sein, die Rationen von 1.550 weiter auf 1.000 oder weniger Kalorien zu reduzieren.
Die wenigen Knospen von Demokratie werden in der Todesagonie der Alten, Frauen und Kinder verdorren.
Die Briten und wir werden in den Aufzeichnungen als diejenigen aufgeführt sein, die die Deutschen verhungern ließen. Die Russen werden auf der Höhe der Hungersnot wesentliche Lager für Nahrungsmittel wieder öffnen, die sie geschlossen haben (300.000 bis 400.000 Tonnen Zucker, große Mengen von Kartoffeln).
Abgesehen von der Unmenschlichkeit, die hierbei im Spiel ist, ist es sagenhaft dumm, eine solche Vorstellung von unglaublichem Schlammassel vor den Augen der Welt zu geben. Alle hartarbeitenden Beamten in den Büros der Nahrungsmittel- und landwirtschaftlichen Branche der Militärregierung schämen sich.[15]
Die amerikanische Journalistin und Radiosprecherin Dorothy Thompson schrieb:
Die Kinder in Europa sterben. Sechs Jahre Krieg, unbeschreibliche Zerstörung und die wahnsinnige Politik, die das Auseinanderbrechen noch verstärkt hat, das durch den Zusammenbruch der Naziregierung entstand, haben ihr Werk getan. Deutschland, und mit ihm Europa, versinken im Abgrund.
Die Tatsachen über das, was sich hier als eine Verschwörung der Stille herausgestellt hat, wurden schließlich aufgedeckt... Dieser Krieg wurde vom Westen im Namen der christlichen Zivilisation gekämpft, der Vier Freiheiten und der Würde des Menschen gegen jene, die Verbrechen gegen die Menschlichkeit begingen. Politik jedoch, die zwangsläufig dazu führt, daß nach dem Krieg Zehntausende von Kindern vernichtet werden, sind ebenfalls „Verbrechen gegen die Menschlichkeit."[16]
Die verzweifelte Suche der deutschen Bevölkerung nach Lebensmitteln wurde von Kathryn Hulme, der stellvertretenden Leiterin eines der vielen bayerischen Displaced Persons Camps, beobachtet. Sie schrieb über das Gedränge um die Pakete des Roten Kreuzes im Lager Wildflecken:
Es ist schwer zu glauben, dass ein paar glänzende kleine Dosen mit Fleischpaste und Sardinen fast einen Aufstand im Lager auslösen könnten, dass Tüten mit Lipton's Tee und Dosen mit Varrington House Kaffee und Tafeln mit vitaminisierter Schokolade die Männer vor Verlangen fast in den Wahnsinn treiben könnten. Aber das ist so. Dies ist genauso ein Teil der Zerstörung Europas wie die hageren Ruinen von Frankfurt. Nur ist dies der Ruin der menschlichen Seele. Es ist tausendmal schmerzhafter, das zu sehen.[17]
Eine Untersuchung in der amerikanischen Zone kam zu dem Schluss, dass 60 % der Deutschen sich so ernährten, dass es zu Krankheiten und Unterernährung kam. Im Oktober 1945 ergab das stichprobenartige Wiegen deutscher Erwachsener einen Rückgang des Körpergewichts von 13-15%. Kinder, schwangere Frauen und ältere Menschen litten am meisten. Ihre Ernährung enthielt nicht genügend Proteine und Vitamine, und Rachitis war unter deutschen Säuglingen weit verbreitet.[18]
Die deutsche Zentralverwaltung für Gesundheit berichtete über die tödlichen Auswirkungen der Unterernährung:
Die Menschen leiden Hunger... Sie sind bis auf die Knochen ausgezehrt. Ihre Kleidung hängt lose am Körper, die unteren Extremitäten sind wie die Knochen eines Skeletts, ihre Hände zittern wie bei einer Lähmung, die Armmuskeln sind ausgetrocknet und die Haut liegt in Falten und ist ohne Spannung, die Gelenke springen hervor, als ob sie gebrochen seien.
Das Gewicht einer Frau durchschnittlicher Größe und Gewicht, ist unter 110 Pfund gefallen. Oft wiegen Frauen im gebärfähigen Alter nicht mehr als 65 Pfund. Die Anzahl der totgeborenen Kinder erreicht die Anzahl der lebend geborenen, und eine zunehmende Anzahl dieser stirbt innerhalb von ein paar Tagen. Sogar wenn sie bei der Geburt ein normales Gewicht haben, verlieren sie sofort an Gewicht und sterben kurz darauf. Kindersterblichkeit hat die entsetzliche Höhe von 90 Prozent erreicht.[19]
Das deutsche Volk hungerte, während die Amerikaner um sie herum im Luxus lebten. Der amerikanische Historiker Ralph Franklin Keeling schrieb:
Während die Deutschen um sie herum verhungern, Lumpen tragen und in Löchern wohnen, lebt die amerikanische Aristokratie oft in ungewohnter Bequemlichkeit und Luxus. Ihre Frauen müssen besonders gekennzeichnet werden, um sie vor unzüchtigen Annäherungen zu schützen; sie leben in den schönsten Wohnungen, aus denen sie die Deutschen vertrieben haben; sie stolzieren in feiner Kleidung herum und schlemmen an Nahrungsmitteln, die dreimal so viel sind, wie die, die sie den Deutschen zugestehen, und geben „Displaced Persons“ zweimal so viel. Wenn wir den Deutschen erzählen, daß ihre niedrigen Rationen daher rühren, weil nicht genügend Nahrungsmittel vorhanden sind, denken die natürlich, daß wir entweder lügen oder sehen uns als unmenschlich an, weil wir den Löwenanteil von der geringen Zuteilung nehmen und ihre Kinder verhungern lassen.[20]
Auch George Kennan war empört über die unterschiedlichen Lebensbedingungen zwischen Deutschen und Amerikanern in Deutschland. Kennan erklärte:
Jedes Mal war ich entsetzt über den Anblick dieser Horde meiner Landsleute und ihrer Angehörigen, die inmitten der Ruinen einer zerrütteten Volksgemeinschaft im Luxus kampierten, die Vergangenheit nicht kannten, die vielen Beweise der Tragödie um sie herum nicht beachteten und in denselben abgelegenen Villen wohnten, die die Gestapo und die SS gerade verlassen hatten, Sie genießen dieselben Privilegien, protzen mit ihrem albernen Supermarktluxus angesichts eines wahren Ozeans der Entbehrung, des Hungers und des Elends und geben einem Volk, das dringend geistige und intellektuelle Führung braucht, ein Beispiel für leeren Materialismus und kulturelle Armut.[21]
US-Senatoren und britische Menschenrechtler protestieren gegen die Hungersnot
Einige informierte politische Führer sprachen sich gegen die alliierte Politik des massenhaften Aushungerns des deutschen Volkes aus. In einer Rede vor dem US-Senat am 5. Februar 1946 sagte Senator Homer E. Capehart aus Indiana unter anderem:
Die Tatsache kann nicht länger unterdrückt werden, nämlich, die Tatsache, daß es die beabsichtigte und weiterhin verfolgte Politik einer geheimen und verschwörerischen Clique innerhalb der die Politik bestimmenden Kreise dieser Regierung ist, eine Nation zu hängen und zu vierteilen, die jetzt einem fürchterlichen Elend ausgesetzt ist.
In diesem Prozeß verhält sich diese Clique wie ein Rudel Hyänen, das sich um die blutigen Eingeweide einer Leiche streitet und, erfüllt von einem sadistischen und fanatischen Haß, entschlossen ist, die deutsche Nation und das deutsche Volk, ohne Rücksicht auf die Konsequenzen, zu vernichten.
In Potsdam zeichneten die Repräsentanten der Vereinigten Staaten, des Vereinigten Königreiches und die Union der Sowjetischen Sozialistischen Republiken feierlich folgende Deklaration von Prinzipien und Absichten: "Es ist nicht die Absicht der Alliierten, das deutsche Volk zu vernichten oder zu versklaven."
Herr Präsident, der zynische und brutale Verstoß gegen diese feierlichen Erklärungen, der eine große Katastrophe zur Folge hatte, kann nicht mit Nichtwissen oder Unfähigkeit erklärt werden. Dieser Verstoß, nicht nur gegen die Potsdamer Erklärung, sondern gegen jedes Gesetz von Gott und den Menschen, wurde mit Absicht konstruiert und mit solch böswilliger Gerissenheit und solch teuflischem Geschick, daß das amerikanische Volk selbst in einer internationalen Todesfalle gefangen ist.
Seit neun Monaten hat diese Regierung nun eine beabsichtige Politik von Massenverhungern durchgeführt, ohne irgendwelche Unterschiede zwischen Unschuldigen und Hilflosen und den Schuldigen zu machen.
Die erste Frage war und ist immer der Humanitätsgedanke. Diese boshafte Clique innerhalb dieser Regierung, die für die Politik und Praxis, die aus Zentraleuropa ein Irrenhaus gemacht haben, verantwortlich ist, hat nicht nur unsere amerikanischen Prinzipien verraten, sondern auch die GIs, die gelitten haben und gestorben sind und sie fährt fort, die amerikanischen GIs zu verraten, die ihre schmutzige Arbeit weiter fortführen müssen.
Die zweite Frage, um die es geht, ist die Wirkung, die diese Tragödie in Deutschland bereits auf die anderen europäischen Länder gehabt hat. Diejenigen, die für diese beabsichtigte Zerstörung des deutschen Staates und das verbrecherische Massenverhungern des deutschen Volkes verantwortlich sind, waren in ihrem blinden Haß so fanatisch, daß alle anderen Interessen und Bedenken dieser einen Besessenheit von Rache untergeordnet wurden. Um ihr Ziel zu erreichen, war es gleichgültig, ob die befreiten Länder in Europa litten und verhungerten. Diese Clique von Verschwörern hat sich einer Aufgabe gewidmet: "Deutschland muß zerstört werden. Was in dem Prozeß mit den anderen Ländern Europas geschieht, ist zweitrangig."
Senator Capeharts Äußerungen waren mit einer Fülle von Belegen durchsetzt.[22]
In einer Rede vor dem US-Senat am 3. Dezember 1945 sprach Senator James Eastland aus Mississippi über die großen Schwierigkeiten, die er hatte, um an den offiziellen Bericht über die Zustände in Deutschland heranzukommen. Sen. Eastland erklärte:
Es scheint eine Verschwörung des Schweigens zu geben, das wahre Bild über die Verhältnisse in Europa vor unserem Volk zu verbergen, die Tatsachen bezüglich der Verhältnisse auf dem Kontinent und Informationen im Hinblick auf unsere Politik den Deutschen gegenüber geheimzuhalten... Werden die wirklichen Tatsachen verschwiegen, weil unsere Politik so grausam ist, daß das amerikanische Volk sie nicht billigen würde?
Was haben wir zu verbergen, Herr Präsident? Warum sollen diese Tatsachen dem Volk der Vereinigten Staaten ferngehalten werden? Es kann unmöglich irgendeinen triftigen Grund für Geheimhaltung geben. Folgen wir einer Politik unversöhnlichen Hasses, einer Politik, die vom amerikanischen Volk als ganzes, wenn es die wahren Verhältnisse kennen würde, nicht gebilligt würde?
Herr Präsident, ich würde nicht ehrlich sein, wenn ich nicht klar sagen würde, daß das Bild viel schlimmer, viel verworrener ist, als das amerikanische Volk vermutet und daß ich keine Stelle kenne, die in der Lage wäre, einen kompletten Tatsachenbericht über die wahre Situation zu erstellen, in die unsere Politik das amerikanische Volk gebracht hat. Die Wahrheit ist, daß die Nationen von Zentral-, Süd- und Osteuropa in einer Flut von Anarchie und Chaos dahintreiben.[23]
Senator William Langer aus North Dakota erklärte im US-Senat:
Die Geschichte zeigt bereits, dass eine wilde Minderheit von blutigen Verbitterern innerhalb dieser Regierung der jetzigen Regierung die Annahme des brutalen Morgenthau-Plans aufgezwungen hat. Ich frage Sie, Herr Präsident, warum in Gottes Namen hat die Regierung ihn akzeptiert? ... Die jüngsten Entwicklungen haben lediglich zahlreiche frühere Anschuldigungen bestätigt, dass dieser vermaledeite und bösartige Morgenthau-Plan Europa in zwei Hälften gerissen und die Hälfte Deutschlands in die immer größer werdende Einflusssphäre einer orientalischen totalitären Verschwörung eingegliedert hat. Indem wir eine Politik fortsetzen, die Deutschland gegen sich selbst spaltet, spalten wir die Welt gegen sich selbst und lassen auf Europa eine Macht und eine versklavende und entwürdigende Grausamkeit los, die die von Hitler noch übertrifft.[24]
Der Senat applaudierte Senator Langers Rede mit großem Beifall.
Der Senat stimmte einer von Senator Kenneth Wherry aus Nebraska vorgeschlagenen Resolution zu, die die Einrichtung einer Gruppe mit einem Budget vorsieht, die die Zustände in Deutschland eingehend untersuchen und darüber berichten soll. Wherry erklärte: "Aus den britischen, französischen und amerikanischen Besatzungszonen sickern erschreckende Berichte durch, und aus der russischen Besatzungszone kommen noch grausamere Berichte, die ein erschreckendes Bild des vorsätzlichen und großflächigen Verhungerns zeigen." Wherry kritisierte die Truman-Regierung dafür, dass sie trotz der Bitten um Fürsprache nichts unternahm, um eine größere Tragödie zu verhindern. Wherry befragte auch Gouverneur Lehman, den Verantwortlichen für die United Nations Relief and Rehabilitation Administration (UNRRA), der zugab, dass die UN-Hilfe nicht an die hungernden Deutschen ging. Schließlich sagte Wherry: "Die Wahrheit ist, dass Tausende und Abertausende von Tonnen Militärrationen in unseren Überschusslagern liegen, die inmitten der hungernden Bevölkerung verdorben sind."[25]
Senator Langer erhielt neue Informationen, die ihn veranlassten, am 29. März 1946 im Senat zu sprechen:
[Wir] sind in ein grausames und fanatisches Komplott verwickelt, das darauf abzielt, das deutsche Volk zu vernichten, indem es für die Gräueltaten seiner Führer bestraft wird. Die Anführer dieses Komplotts haben nicht nur zugelassen, dass die gesamte Weltsituation außer Kontrolle geriet, sondern auch, dass ihre Entschlossenheit, das deutsche Volk und die deutsche Nation zu vernichten, ohne Rücksicht auf die Folgen für unsere eigenen moralischen Prinzipien, unsere Führungsrolle in der Welt, unseren christlichen Glauben, unsere Verbündeten oder den zukünftigen Frieden in der Welt, zu einem weltweiten Skandal geworden ist... Wir alle haben die grausamen Bilder der aufgetürmten Leichen gesehen, die von den amerikanischen und britischen Armeen freigelegt wurden, und unsere Herzen haben sich beim Anblick dieser Auszehrung, die Erwachsene und sogar kleine Kinder zu bloßen Skeletten macht, vor Mitleid geschüttelt. Doch jetzt müssen wir zu unserem großen Entsetzen feststellen, dass unsere eigene Politik diese Bedingungen nur noch weiter verbreitet hat - und zwar unter unseren ehemaligen Feinden."[26]
Senator Albert W. Hawkes aus New Jersey forderte Präsident Truman auf, private Hilfspakete nach Deutschland zu schicken, um eine Massenverhungerung der deutschen Bevölkerung zu verhindern. In einem Antwortschreiben vom 21. Dezember 1945 erklärte Truman, dass es "noch keine Möglichkeit gibt, Pakete in Deutschland auszuliefern", weil "das Postsystem sowie die Kommunikations- und Transportsysteme in Deutschland völlig zusammengebrochen sind." Truman sagte dann:
Unsere Bemühungen haben sich hauptsächlich auf die konzentriert, die mit uns gekämpft haben und nicht gegen uns - Norweger, Belgier, Holländer, Griechen, Polen, Franzosen. Irgendwann werden wir dann den Feindländern Aufmerksamkeit schenken.
Wenn wir auch nicht den Wunsch haben, die Deutschen übermäßig grausam zu behandeln, habe ich aber auch kein großes Mitgefühl für die, die neben all der Zerstörung und dem Kriegstod, den Tod so vieler Menschen durch Verhungern, Krankheiten und glatten Mord verursacht haben. Vielleicht kann schließlich eine anständige Regierung in Deutschland eingesetzt werden, damit Deutschland seinen Platz in der Familie der Nationen wieder einnehmen kann. Ich denke, daß bis dahin von niemandem verlangt werden sollte, für Deutschlands Unglück zu zahlen als Deutschland selbst.
Bis das Unglück derjenigen, die Deutschland unterdrückt und gequält hat, nicht ausgelöscht ist, scheint es nicht recht zu sein, unsere Bemühungen Deutschland zuzuwenden. Ich gebe zu, daß es in Deutschland natürlich viele unschuldige Leute gibt, die wenig mit dem Naziterror zu tun hatten. Die Belastung der Verwaltung mit dem Versuch, diese Menschen zu finden und sie anders als alle übrigen zu behandeln, ist etwas, das fast unüberwindlich ist.[27]
Britische Intellektuelle wie Bertrand Russell und Victor Gollancz setzten sich ebenfalls dafür ein, das Leid und den Massenhunger der deutschen Bevölkerung öffentlich zu machen. Gollancz beanstandete den Kontrast, den er zwischen den Unterkünften und dem Essen in der britischen Offiziersmesse und den erbärmlichen, halbverhungerten Hütten außerhalb sah. Im März 1946 schwankte der durchschnittliche Kalorienverbrauch pro Tag in der britischen Zone zwischen 1.050 und 1.591. Die britischen Behörden in Deutschland schlugen vor, die Rationen auf 1.000 Kalorien pro Tag zu senken. Gollancz wies darauf hin, dass die Häftlinge in Bergen-Belsen gegen Ende des Krieges nur 800 Kalorien pro Tag bekamen, was nicht viel weniger war als der britische Vorschlag.[28]
Gollancz unternahm im Oktober und November 1946 eine sechswöchige Tour durch die britische Zone. Im Januar 1947 veröffentlichte Gollancz das Buch In Darkest Germany, um zu dokumentieren, was er auf dieser Reise sah. Mit Hilfe eines Fotografen fügte Gollancz zahlreiche Bilder bei, um die Skepsis an der Wahrhaftigkeit seiner Berichte zu zerstreuen. Die Bilder zeigen Gollancz, wie er hinter nackten Jungen steht, die an Unterernährung leiden; oder wie er einen völlig abgenutzten und unbrauchbaren Kinderschuh in der Hand hält; oder wie er einen verkrüppelten, halb verhungerten Erwachsenen in seiner Hütte tröstet. Es ging darum zu zeigen, dass Gollancz diese Dinge mit eigenen Augen gesehen hatte und nicht nur die Berichte anderer Leute akzeptierte. Gollancz schrieb auch an einen Zeitungsredakteur: "Die Jugend [in Deutschland] wird vergiftet und wieder nazifiziert: Wir haben den Frieden so gut wie verloren."[29]
Victor Gollancz schloss: " Die einfache Tatsache ist, daß, wenn in England der Frühling in der Luft liegt, wir die Menschen in Deutschland verhungern lassen; ... Andere, uns eingeschlossen, behalten oder bekommen Bequemlichkeiten, während die Deutschen nicht einmal die nackten Notwendigkeiten zum Leben haben. Wenn es eine Wahl gibt zwischen Unbequemlichkeit für den einen und Leiden für die Deutschen, müssen die Deutschen leiden; zwischen Leiden für den einen und Tod für die Deutschen, müssen die Deutschen sterben."[30]
Monate nachdem der Krieg zu Ende war und die Alliierten die vollständige Kontrolle über die deutsche Regierung übernommen hatten, sagte der Bischof von Chichester, indem er einen bekannten deutschen Pfarrer zitierte: "Tausende von Leichen hängen in den Bäumen in den Wäldern rund um Berlin und niemand kümmert sich darum, sie abzuschneiden... Tausende von Leichen werden von der Oder und Elbe in die See geschwemmt - man nimmt es nicht mehr länger wahr. Tausende um Tausende verhungern auf den Straßen... Kinder wandern allein auf den Autobahnen herum, ihre Eltern erschossen, tot, verschwunden."[31]
Die Hungerpolitik geht weiter
Trotz der Bemühungen von US-Senatoren und britischen humanitären Organisationen setzten die Alliierten ihre Hungerpolitik 1946 und 1947 fort. Eine Gruppe deutscher Ärzte berichtete 1947, dass die tatsächliche tägliche Kalorienration, die für drei Monate im Ruhrgebiet in der britischen Zone ausgegeben wurde, im Durchschnitt nur 800 pro Person betrug. Dr. Gustav Stolper, Mitglied des Untersuchungsteams der Hoover-Kommission, berichtete, dass die Ration sowohl in der britischen als auch in der amerikanischen Zone "für eine lange Zeit in den Jahren 1946 und 1947 auf zwischen 700 und 1.200 Kalorien pro Tag gesunken ist."[32]
US-Kriegsminister Robert Patterson schrieb 1947 an US-Außenminister George C. Marshall über die Hungersnot in Deutschland: "[Unsere] Besatzung hat keine Aussicht auf Erfolg, wenn diese [Hungersnot-]Bedingungen anhalten. Dieser Zustand wurde vorhergesehen, und ich habe wiederholt darauf gedrängt, dass Lebensmittellieferungen nach Deutschland Vorrang haben sollten. Die Grundlage für die Priorität ist die Verhinderung von Hungersnöten in den US-UK-Zonen Deutschlands..."[33]
Deutschland wurde immer noch unter dem Morgenthau-Plan und dem Potsdamer Abkommen geführt. Diese beiden Programme hatten einen entscheidenden konzeptionellen Fehler: Im Mittelpunkt beider Programme stand die paradoxe Politik, Deutschland in eine Agrarwirtschaft umzuwandeln und gleichzeitig die wertvollsten landwirtschaftlichen Regionen Deutschlands zu enteignen und die Bevölkerung dieser Regionen nach Rumpfdeutschland zu verbannen.
Diese Politik machte es für Deutschland unmöglich, seine Bevölkerung zu ernähren. Deutschland musste sich industrialisieren, um etwas exportieren zu können, mit dem es ein Minimum an Nahrung für seine Bevölkerung kaufen konnte. Indem sie Deutschland ein Viertel seines Ackerlandes wegnahmen, schufen die Alliierten eine Situation, in der die Existenz Deutschlands zwangsläufig noch stärker von der Industrialisierung abhing als vor dem Krieg.[34]
Die wirtschaftlichen Störungen, die durch die zonale Aufteilung Deutschlands verursacht wurden, schadeten auch der deutschen Wirtschaft. Die Sowjetzone orientierte sich mehr und mehr nach Osten und zog weiterhin maximale Reparationen aus ihrer Zone ab. Die Französische Zone stagnierte, weil Frankreich nicht bereit war, an einem gesamtdeutschen Programm mitzuarbeiten, solange die Saarfrage nicht zu Frankreichs Gunsten gelöst war. Außerdem befürchtete Frankreich ein Wiedererstarken Deutschlands.[35]
Die Weigerung, die Deutschen zu ernähren - oder jemand anderem zu erlauben, sie zu ernähren - führte zu äußerst negativen Gefühlen der Deutschen gegenüber den Alliierten. Carl Zuckmayer berichtete von Gesprächen, die er in den Brotschlangen in der amerikanischen Zone hörte: "Ja, Hitler war schlecht, unser Krieg war falsch, aber jetzt tun sie uns das gleiche Unrecht an, sie sind alle gleich, es gibt keinen Unterschied, sie wollen Deutschland genauso versklaven wie Hitler die Polen, jetzt sind wir die Juden, die "minderwertige Rasse", sie lassen uns absichtlich verhungern, siehst du nicht, dass das ihr Plan ist, sie nehmen uns alle Einkommensquellen weg und lassen uns langsam sterben, die Gaskammern haben schneller funktioniert..."[36]
Der Präsident der Evangelischen Kirche in Deutschland und ehemalige Dachau-Häftling Martin Niemöller sprach über das Leiden und Verhungern der Deutschen nach dem Krieg. Niemöller sagte zu einem amerikanischen Publikum, als er von Dezember 1946 bis April 1947 durch die Vereinigten Staaten reiste:
Die Büros unserer [amerikanischen] Militärregierung sind sehr schön und gemütlich geheizt und unsere Leute von der Militärregierung leben ein gutes Leben, was die Ernährung und alles andere, sogar die Unterkunft, angeht. Aber sie wissen nicht, wie die Menschen wirklich denken und handeln, die hungrig sind, die auf dem Weg sind zu verhungern.
Niemöller sagte, die Deutschen bekämen nicht mehr als "die niedrigste Ration, von der man je in einem Nazi-Konzentrationslager gehört hat."[37]
Obwohl Niemöller auf seiner Amerikatournee mehr Geld als erwartet sammelte, war er enttäuscht, weil er die amerikanische Besatzungspolitik in Deutschland nicht verbessern konnte. Nach Monaten in Amerika war Niemöllers Rückkehr in das vom Krieg verwüstete Deutschland ein Schock. Niemöller schrieb an Pastor Ewart Turner:
Der Winter ist vorbei, aber man spürt ihn überall - die Kälte, die sich immer noch in den Räumen versteckt, besonders in diesem alten Schloss mit seinen dicken Steinmauern. Die Wasserleitungen sind kaputt. Kein fließendes Wasser in Küche und Toilette. Wenn ich an meinem Schreibtisch sitze, zittere ich auch jetzt noch vor Kälte, und der einzige Ort, an dem ich etwas Erleichterung spüre, ist wieder einmal das Bett. Die Ernährungslage ist mehr als schwierig, und ich traue mich kaum, eine Scheibe Brot zu nehmen, weil ich denke, dass Hertha, Tini und Hermann [seine Kinder] es viel nötiger haben als ich, und ich kann nicht umhin, mich schuldig zu fühlen, weil ich [in den Vereinigten Staaten] so gut ernährt wurde. Das ganze Leben ist düster und dunkel; man sieht die Spuren des fortschreitenden Hungers in jedem Gesicht, das man zu Gesicht bekommt.[38]
Der körperliche und seelische Tribut von Hunger, Kälte und Desillusionierung machte das Leben in Deutschland für Niemöller unerträglich. Niemöllers Frau Else beklagte sich, als sie aus Amerika nach Deutschland zurückkamen: "Es war dort so viel leichter als hier." Niemöller sagte zu Pastor Turner, wenn sich die Lage nicht bald bessert, "wäre ich lieber wieder in meiner Zelle Nummer 31 in Dachau". Niemöller gab "den Anhängern des Morgenthau-Plans" die Schuld, die ihr "Hauptquartier von Washington in die amerikanische Zone" verlegt hatten.[39]
In einem weiteren Brief an Turner im Herbst 1947 schrieb Niemöller:
Der [kommende] Winter wird für uns alle eine sehr harte Prüfung sein. Die Rationen an Fett und Fleisch wurden wieder auf 25 Gramm Butter und 100 Gramm Fleisch pro Woche gekürzt! Und keine Kartoffeln. Der Normalverbraucher wird diesen Winter wahrscheinlich sterben, und der Jude [in der Besatzungsmacht] wird Recht bekommen, der auf meine Frage, was aus den zu vielen Menschen in den Westzonen werden würde, sagte: "Mach dir keine Sorgen, wir werden uns darum kümmern und das Problem wird auf ganz natürliche Weise gelöst!"
Niemöller verstand die Formulierung des jüdischen Beamten "auf natürliche Weise" so, dass er damit den Hungertod meinte.[40]
Ende der Hungersnotpolitik
Was die westlichen Alliierten schließlich zu einer Revision ihrer Besatzungspolitik in Deutschland veranlasste, war die Angst vor einer kommunistischen Machtübernahme in Europa. Die westlichen Alliierten befürchteten, Deutschland könne, als Elendsgebiet Europas von sozialen Unruhen geschüttelt, ins kommunistische Lager getrieben werden - wonach das übrige Europa folgen mochte. Die Antikommunisten in Polen waren aus der Regierung entfernt worden, nur wenige hatten sich in Sicherheit bringen können. Die gleiche undemokratische Entwicklung bahnte sich in Rumänien, Ungarn, der Tschechoslowakei an. Frankreichs und Italiens kommunistische Parteien verdoppelten ihre Aktivität und führten mehrere Generalstreiks durch. Europa schien reif für die kommunistische Machtübernahme, und die westlichen Alliierten erkannten, dass etwas getan werden musste, um sie zu verhindern.[41]
Die Gefahr einer kommunistischen Machtübernahme in Europa wurde von den alliierten Führern schon lange erkannt. Der französische Marschall Alphonse Juin sagte bei einem Abendessen in Paris im August 1945 zu General George Patton: "Es ist in der Tat bedauerlich, daß die Engländer und Amerikaner das einzige solide Land in Europa zerstört haben – und ich meine nicht Frankreich damit –, so daß der Weg jetzt frei ist für die Ankunft des russischen Kommunismus."[42]
Patton selbst hatte vor der Gefahr des russischen Kommunismus als Folge der Zerstörung Deutschlands gewarnt. Patton erklärte: "Was wir hier tun, ist die totale Vernichtung des einzig halbmodernen Staates in Europa, so dass Russland sich alles einverleiben kann."[43]
Nach einem erfolglosen Moskauer Treffen des Außenministerrats im März 1947 erkannten die westlichen Alliierten die Notwendigkeit, einen neuen, von der Sowjetunion unabhängigen Kurs einzuschlagen. George F. Kennan stellte fest: "Es war eindeutig, dass die Sowjetführer am Versagen der westeuropäischen Wirtschaft unter nichtkommunistischem Vorzeichen ein politisches Interesse hatten." Da der totale wirtschaftliche Zusammenbruch Europas unmittelbar bevorstand, wurde ein neuer Plan benötigt, um die kränkelnden europäischen Volkswirtschaften zu stützen.[44]
Das European Recovery Program, besser bekannt als Marshall-Plan, wurde ursprünglich von US-Außenminister George Marshall ins Leben gerufen, um die wirtschaftliche Erholung Europas auf beiden Seiten des Eisernen Vorhangs zu fördern. Die Sowjetunion unternahm jedoch Schritte, um zu verhindern, dass eines der osteuropäischen Länder am Marshallplan teilnahm. Die Sowjetunion organisierte ein konkurrierendes Programm für den Aufschwung in Osteuropa, den sogenannten Molotow-Plan. Das von der Sowjetunion dominierte Kominform forderte die Kommunisten überall auf, den Marshallplan zu bekämpfen, den es als Instrument für die "Weltherrschaft des amerikanischen Imperialismus" bezeichnete.[45]
Der Marshallplan hielt der sowjetischen Herausforderung stand. Für den Zeitraum vom 3. April 1948 bis zum 30. Juni 1952 stellte der Marshallplan 3,176 Milliarden Dollar für das Vereinigte Königreich, 2,706 Milliarden Dollar für Frankreich und 1,474 Milliarden Dollar für Italien bereit. Nur 1,389 Milliarden Dollar gingen an Westdeutschland, wovon Deutschland später etwa 1 Milliarde Dollar zurückzahlte. Die deutsche Wirtschaft profitierte jedoch am meisten von den Hilfen. Ein Kommentator beschrieb die Auswirkungen des Marshallplans auf Westdeutschland:
Die Ergebnisse waren überwältigend, von keinem anderen europäischen Land erreicht, obwohl Deutschland nur einen verhältnismäßig kleinen Teil der Mittel aus dem Marshall-Plan erhielt. Europa bekam insgesamt 20 Milliarden Dollar von den Vereinigten Staaten; im Jahre 1954 beliefen sich die Pro-Kopf-Beträge auf 39 Dollar für Deutschland, dagegen 72 Dollar für Frankreich, 77 für England, 33 für Italien und 104 für Österreich. Aber in Deutschland kam die Hilfe genau zum richtigen Zeitpunkt, als sich das Bedürfnis nach physischem und psychischem Wiederaufbau bis zum Siedepunkt erhitzt hatte.[46]
Die Wirkung des Marshallplans in Deutschland war fast magisch. Die deutsche Wirtschaft erholte sich innerhalb weniger Monate; innerhalb eines Jahres wuchs sie schneller als jede andere Wirtschaft in Europa; und innerhalb eines Jahrzehnts war Deutschland fast das reichste Land Europas. Das Wachstum der deutschen Wirtschaft beendete die Hungersnot des deutschen Volkes. Laut General Maurice Pope, der 1948 für die kanadische Militärmission in Deutschland tätig war, "verbesserten sich die Bedingungen über Nacht ... [bald] bot der bescheidene Lebensmittelladen an der Ecke Delikatessen aller Art zu recht günstigen Preisen an."[47]
Wie viele Deutsche sind nach dem Zweiten Weltkrieg verhungert?
Die in den Berichten der US-Militärgouverneure genannten Sterberaten zeigen, dass nur sehr wenige Deutsche unter den vertriebenen oder nicht vertriebenen Deutschen in den drei Westzonen starben. Diese weit verbreiteten Berichte der US-Militärgouverneure wurden von den meisten Historikern akzeptiert und bilden heute die Grundlage für die Annahme, dass die Todesrate unter den Deutschen nach dem Zweiten Weltkrieg nicht ungewöhnlich hoch war.
Wie falsch diese Berichte sind, zeigt ein Vergleich des Berichts von 1947, der ein Jahr extremen Hungers und Elends war, an das sich die Deutschen als Hungerjahr erinnern, mit anderen Friedensjahren in Deutschland. Der Bericht des US-Militärgouverneurs vom Dezember 1947 gab an, dass die Todesrate unter der deutschen Zivilbevölkerung bei 12,1 pro Jahr und Tausend lag. Das ist nur geringfügig höher als die Sterblichkeitsrate unter den Deutschen vor dem Krieg und liegt unter der Sterblichkeitsrate von 12,2 pro Tausend pro Jahr in den beiden blühenden Jahren 1968-1969. Die im Bericht des US-Militärgouverneurs von 1947 angegebene Todesrate von 12,1 pro Jahr und Tausend kann unmöglich stimmen.[48]
In Wirklichkeit starben nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs Millionen von ansässigen deutschen Zivilisten. James Bacque schätzt, dass 5,7 Millionen Deutsche, die sich bereits in Deutschland aufhielten, durch die Hungerpolitik der Alliierten nach dem Krieg starben. Bacque erklärt, wie die Zahl von 5,7 Millionen Toten berechnet wird:
Die Bevölkerung des gesamten besetzten Deutschlands belief sich im Oktober 1946 auf 65.000.000 Menschen, wie aus der Volkszählung des ACC hervorgeht. Die zurückkehrenden Gefangenen, die zwischen Oktober 1946 und September 1950 zur Bevölkerung hinzukamen, beliefen sich nach den Aufzeichnungen in den Archiven der vier wichtigsten Alliierten auf 2.600.000 (gerundet). Durch Geburten kamen laut Statistischem Bundesamt weitere 4.176.430 Neuankömmlinge in Deutschland hinzu. Die Zahl der Vertriebenen belief sich auf 6.000.000. Somit hätte die Gesamtbevölkerung 1950 vor den Verlusten 77.776.430 betragen, wie die Alliierten selbst angeben. Die offiziell erfassten Todesfälle im Zeitraum 1946-50 beliefen sich nach Angaben des UN-Jahrbuchs und der deutschen Regierung auf 3.235.539. Die Auswanderung betrug nach Angaben der deutschen Regierung etwa 600.000. Die ermittelte Bevölkerung hätte also 73.940.891 betragen müssen. Die Volkszählung von 1950, die von der deutschen Regierung unter Aufsicht der Alliierten durchgeführt wurde, ergab jedoch nur 68.230.796. Nach den offiziellen Zahlen der Alliierten fehlten 5.710.095 Menschen (gerundet auf 5.700.000).[49]
Bacques Berechnungen wurden von Dr. Anthony B. Miller bestätigt, einem weltberühmten Epidemiologen und Leiter der Abteilung für Präventivmedizin und Biostatistik an der Universität Toronto. Miller hat die gesamte Arbeit, einschließlich der Dokumente, gelesen und die Statistiken überprüft, was seiner Meinung nach "die Gültigkeit von [Bacques] Berechnungen bestätigt..." Miller stellt fest: "Diese Todesfälle scheinen direkt oder indirekt auf die reduzierten Lebensmittelrationen zurückzuführen zu sein, die der Mehrheit der deutschen Bevölkerung in dieser Zeit zur Verfügung standen."[50]
Fazit
Die Millionen von Deutschen, die verhungert sind, machen nicht die ganze Geschichte des Verbrechens aus, das nach dem Zweiten Weltkrieg an Deutschland begangen wurde. Deutsche Frauen, die wiederholt von alliierten Soldaten vergewaltigt worden waren, mussten für den Rest ihres Lebens die körperlichen und psychischen Narben tragen. Millionen deutscher Vertriebener, die ihren gesamten Grundbesitz und einen Großteil ihres persönlichen Eigentums verloren hatten, wurden von den Alliierten nie entschädigt. Stattdessen mussten sie in Deutschland in bitterer Armut leben, nachdem sie aus ihrer Heimat vertrieben worden waren. Millionen anderer Deutscher wurden von den alliierten Soldaten bestohlen oder umgebracht. Die Behandlung Deutschlands durch die Alliierten nach dem Krieg ist sicherlich eine der brutalsten, verbrecherischsten und am wenigsten dokumentierten Tragödien der Weltgeschichte.
Anmerkungen
[1] Behnke, Capt. Albert R., USN, MC, “Physiological and Psychological Factors in Individual and Group Survival,” June 1958 (Behnke Papers, Box 1, HIA). Quoted in Bacque, James, Crimes and Mercies: The Fate of German Civilians under Allied Occupation, 1944-1950, 2nd edition, Vancouver, British Columbia: Talonbooks, 2007, p. 89.
[2] Bacque, James, Crimes and Mercies: The Fate of German Civilians under Allied Occupation, 1944-1950, 2nd edition, Vancouver, British Columbia: Talonbooks, 2007, pp. 89-90.
[3] Chicago Daily Tribune, Oct. 10, 1945.
[4] Goodrich, Thomas, Hellstorm: The Death of Nazi Germany, 1944-1947, Sheridan, Colo.: Aberdeen Books, 2010, p. 287 / Thomas Goodrich; Gerhard Ausmeier - Höllensturm (2015)
[5] Bacque, James, Crimes and Mercies: The Fate of German Civilians under Allied Occupation, 1944-1950, 2nd edition, Vancouver, British Columbia: Talonbooks, 2007, pp. 90-91.
[6] Ibid., p. 93.
[7] Ibid., p. 92.
[8] Ibid., pp. 91-92.
[9] MacDonogh, Giles, After the Reich: The Brutal History of the Allied Occupation, New York: Basic Books, 2007, p. 362.
[10] Bacque, James, Crimes and Mercies: The Fate of German Civilians under Allied Occupation, 1944-1950, 2nd edition, Vancouver, British Columbia: Talonbooks, 2007, pp. 157-158.
[11] Brech, Martin, “In ‘Eisenhower’s Death Camps’: A U.S. Prison Guard’s Story,” The Journal of Historical Review, Vol. 10, No. 2, Summer 1990, p. 165.
[12] Lindbergh, Charles, The Wartime Journals of Charles A. Lindbergh, New York: Harcourt Brace Jovanovich, Inc., 1970, pp. 953, 960-961, 989-990.
[13] Bacque, James, Crimes and Mercies: The Fate of German Civilians under Allied Occupation, 1944-1950, 2nd edition, Vancouver, British Columbia: Talonbooks, 2007, p. 149.
[14] Keeling, Ralph Franklin, Gruesome Harvest: The Allies’ Postwar War against the German People, Torrance, Cal.: Institute for Historical Review, 1992, pp. 67-68 /Ralph Franklin Keeling - Schreckliche Ernte (1947)
[15] Ibid., pp. 70-71. From Congressional Record, March 29, 1946, pp. 2858-2859.
[16] Ibid., pp. 73-74. From Congressional Record, Dec. 4, 1945, p. 11561.
[17] Hitchcock, William I., The Bitter Road to Freedom: A New History of the Liberation of Europe, New York: Free Press, 2008, p. 277.
[18] Ibid., pp. 206-207.
[19] Keeling, Ralph Franklin, Gruesome Harvest: The Allies’ Postwar War against the German People, Torrance, Cal.: Institute for Historical Review, 1992, pp. 71-72.
[20] Ibid., p. 101.
[21] Botting, Douglas, From the Ruins of the Reich—Germany, 1945-1949, New York: Crown Publishers, 1985, p. 215.
[22] Keeling, Ralph Franklin, Gruesome Harvest: The Allies’ Postwar War against the German People, Torrance, Cal.: Institute for Historical Review, 1992, pp. 75-76.
[23] Ibid., p. 76.
[24] Langer, William, Congressional Record of the Senate, March 29, 1946. Quoted in Bacque, James, Crimes and Mercies: The Fate of German Civilians under Allied Occupation, 1944-1950, 2nd edition, Vancouver, British Columbia: Talonbooks, 2007, p. 30.
[25] Bacque, James, Crimes and Mercies: The Fate of German Civilians under Allied Occupation, 1944-1950, 2nd edition, Vancouver, British Columbia: Talonbooks, 2007, pp. 31-32.
[26] Ibid., p. 38.
[27] Congressional Record, Jan. 29, 1946, pp. 530-531. Quoted in Keeling, Ralph Franklin, Gruesome Harvest: The Allies’ Postwar War against the German People, Torrance, Cal.: Institute for Historical Review, 1992, pp. 79-80.
[28] MacDonogh, Giles, After the Reich: The Brutal History of the Allied Occupation, New York: Basic Books, 2007, pp. 253, 363.
[29] Ibid., pp. 364-365.
[30] Keeling, Ralph Franklin, Gruesome Harvest: The Allies’ Postwar War against the German People, Torrance, Cal.: Institute for Historical Review, 1992, pp. 76-77.
[31] Congressional Record, Dec. 20, 1945, p. A6130. Quoted in Keeling, Ralph Franklin, Gruesome Harvest: The Allies’ Postwar War against the German People, Torrance, Cal.: Institute for Historical Review, 1992, p. 67.
[32] Bacque, James, Crimes and Mercies: The Fate of German Civilians under Allied Occupation, 1944-1950, 2nd edition, Vancouver, British Columbia: Talonbooks, 2007, pp. 110, 210.
[33] Ibid., p. 125.
[34] De Zayas, Alfred-Maurice, Nemesis at Potsdam: The Anglo-Americans and the Expulsion of the Germans, London: Routledge & Kegan Paul, 1977, pp. 134-135.
[35] Ibid., p. 139.
[36] MacDonogh, Giles, After the Reich: The Brutal History of the Allied Occupation, New York: Basic Books, 2007, p. 365.
[37] Hockenos, Matthew D., Then They Came for Me: Martin Niemöller, The Pastor Who Defied the Nazis, New York: Basic Books, 2018, p. 204.
[38] Ibid., p. 212.
[39] Ibid.
[40] Ibid., p. 213.
[41] De Zayas, Alfred-Maurice, Nemesis at Potsdam: The Anglo-Americans and the Expulsion of the Germans, London: Routledge & Kegan Paul, 1977, p. 136.
[42] Bacque, James, Other Losses: An Investigation into the Mass Deaths of German Prisoners at the Hands of the French and Americans after World War II, 1944-1950, 3rd edition, Vancouver: Talonbooks, 2011, pp. 172-173.
[43] Goodrich, Thomas, Hellstorm: The Death of Nazi Germany, 1944-1947, Sheridan, Colo.: Aberdeen Books, 2010, p. 321.
[44] De Zayas, Alfred-Maurice, Nemesis at Potsdam: The Anglo-Americans and the Expulsion of the Germans, London: Routledge & Kegan Paul, 1977, pp. 136-137.
[45] Ibid., p. 137.
[46] Ibid., pp. 139-140.
[47] Bacque, James, Crimes and Mercies: The Fate of German Civilians under Allied Occupation, 1944-1950, 2nd edition, Vancouver, British Columbia: Talonbooks, 2007, p. 163.
[48] Ibid., pp. 108-109.
[49] Ibid., pp. 115-116.
[50] Ibid., pp. xvii-xviii.
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